MARIELE DIEKHOF
KITA-BERATERIN
DOZENTIN
AUTORIN

Eine Birken-Geschichte

Von der alten Frau, die die Zweigen-Sprache verstand

Eine baumelnde Baumgeschichte, die in den Zweigen der Birke hängt

Ein Erlebnis für Kinder ab etwa 5 Jahre

Liegt ihr alle schön gemütlich? Dann kann es ja losgehen mit der Birken-Geschichte. Wir liegen hier unter einem ganz besonderen Baum. Schaut mal hoch und seht euch die Zweige genau an…………………………………………….

Erzähl-Pause

Seht ihr, wie sie sich im Wind leicht bewegen? Sie wollen uns etwas erzählen. Doch leider verstehen wir die Zweigen-Sprache ja nicht.

Vor vielen, vielen Jahren, da lebte einmal eine alte Frau, nicht weit von hier in einer verfallenen Hütte. Und diese alte Frau hatte eine ganz besondere Gabe. Ihr werdet es nicht glauben, aber diese alte Frau verstand die Zweigen-Sprache. Niemandem sonst auf der großen weiten Welt ist das bisher gelungen. Und viele haben es versucht, das könnt ihr mir glauben.

Um die Zweigensprache zu verstehen, muss man sehr viel Geduld und Zeit haben, verriet die alte Frau allen Menschen, die das auch lernen wollten. Doch noch nie gab es auch nur einen einzigen Menschen, der geduldig genug war, um die Zweigensprache zu verstehen. Diese Birke, unter der wir hier liegen, war der Lieblingsbaum der alten Frau. Sie kam jeden Tag hierher und legte sich unter diesen prächtigen Baum mit der weißen Rinde. Stundenlang schaute sie hoch und beobachtete die Zweige, wie sie sich im Wind bewegten. Mal nur sehr schwach, an anderen Tagen blies kräftiger Wind und die Zweige schaukelten hin und her.

Immer hatten die Zweige etwas zu erzählen und alles was sie erzählten klang wie Dichtung, wie traumhafte Poesie. Die alte Frau hat alles, was diese Birke ihr erzählt hat, aufgeschrieben und in einer alten Holzkiste gesammelt, damit kein Satz verloren geht. Ist das nicht wunderbar? Vor langer Zeit ist die alte Frau gestorben und hat mir vor ihrem Tode die wertvolle Kiste überreicht. Möchtet ihr sie sehen?

Erzählerin holt eine geschlossene Holzkiste hervor. Schaut mal, hier ist sie. Diese uralte Kiste gehörte der alten Frau. In dieser Kiste hat sie alle Gedichte gesammelt. Alles was die Zweige ihr erzählt haben, jedes Wort und jeden Satz. Alles steckt in dieser Kiste. Ist das nicht phantastisch? Erzählerin holt einen der Zettel heraus oder lässt die Kinder einen Zettel ziehen. Feierlich wird der Text vorgetragen.

Hörst du uns singen, alte Frau
Wir singen vom Wind und vom Regen
Die Luft ist kalt und so rau
Matsche auf allen Wegen

Hörst du uns flüstern, alte Frau
Wir flüstern für dich im Wind
Die Luft ist sonnig, warm und lau
Spürst du die Wärme, himmlisches Kind?

Hörst du uns rufen, alte Frau
Wir rufen im Sturme dir zu
Die Äste knacken, die Wolken so grau
Vorbei ist die himmlische Ruh

Hörst du uns sprechen, alte Frau
Wir sprechen vom Hagel und Schnee
Die Wolken am Himmel so dicht und grau
Der eisige Wind tut so weh

Hörst du uns lachen, alte Frau
Wir lachen gerne im Winde
Der Himmel so weit und so blau
Weiß ist des Baumes Rinde

Nachsatz

Ich bin ziemlich sicher, dass es den Kindern und Ihnen – mit ganz viel Geduld – auch gelingen wird, die Zweigensprache zu verstehen. Ganz bestimmt. Natürlich muss jeden Tag mit viel Ausdauer gelauscht werden. Dazu legt ihr euch gemütlich unter die Birke, seid ganz, ganz still und schaut hoch in die Zweige.

Wie mir die alte Frau verriet, kann man nach 177 Stunden schon die ersten kleinen Wörter hören….

Also nicht aufgeben und dranbleiben …


Wer die Zweigensprache lernen will,
braucht viel Geduld und Zeit.
Man liegt dann stundenlang ganz still
und übt sich in Gelassenheit.