MARIELE DIEKHOF
KITA-BERATERIN
DOZENTIN
AUTORIN

Schablonenarbeiten sind keine Kunstwerke. Vorsicht, hier kommt
ein Klartext!

Liebe Erzieher/innen!

Da das Schablonenthema immer wieder die Gemüter im Team erhitzt, möchte ich mit diesem kleinen Artikel zur Diskussion anregen und Denkanstöße geben. Im Vorfeld entschuldige ich mich schon bei allen Schablonenfans unter Ihnen für meine vielleicht etwas sehr deutlich formulierten Worte. Ist ja sonst gar nicht meine Art! Aber ich nutze hier mal ganz unbefangen die Möglichkeit meinen Gedanken zum Thema Schablonen ungeschönt freien Lauf zu lassen……

Würden Sie eine Kunstausstellung besuchen, in der nur Fälschungen zu besichtigen sind? Also Bilder, die nicht der Künstler selbst gemalt hat, sondern die abgemalt wurden? Eine Ausstellung, an deren Wände Bilder hängen, die alle gleich aussehen? 20 gleiche Kürbissköpfe, alle gleich groß, alle die gleichen ausgeschnittenen Gesichter? Würde Ihnen das gefallen? Nein? Mir auch nicht!

Von einer Kunstausstellung kann da wohl keine Rede sein. Vielleicht hinkt dieser Vergleich etwas, aber die berühmt berüchtigten Schablonenarbeiten, die unseren Kindern allerorts unbefangen angeboten werden, sind ähnlich zu bewerten. Sie haben nichts mit Kunst zu tun, nichts mit der Phantasie und Kreativität der Kinder, nichts mit deren Vorstellungen von ihrer Welt. Absolut nichts mit dem Kind!

Und dennoch gibt es sie in allen denkbaren und undenkbaren Ausführungen, sie kommen bunt und lustig daher und verzieren unzählige Fenster der deutschen Kitalandschaft. Im Frühling sind es die Tulpen und Osterhäschen, die den Kindern die Sicht nach draußen versperren, dann folgen irgendwann die Sonnenblumen und die berühmten Kürbissköpfe in allen Variationen und dennoch alle langweilig in ihrer Gleichheit. Die werden dann abgelöst von der Schneemann-Parade und den grünen Tannenbäumchen.

Es handelt sich dabei nicht um das Werk des Kindes, um dessen Eigensinn und Individualität. Nein, hier spiegelt sich die Phantasie und Vorstellung des Erwachsenen, der sich das Motiv ausgedacht hat.

Was soll das Kind damit? Erwarten wir Erwachsenen, dass das Kind einen Esel so malt, wie wir uns das vorstellen? Warum erwarten wir das? Weil wir eine perfektere Vorstellung vom Esel haben, trauen wir den Kindern ihre eigene Phantasie nicht zu?

Wünschen wir uns ein Fenster voller grauer Schablonenesel, die der Außenwelt vermitteln: Hier malen alle Kinder den gleichen Esel! Schaut her, hier arbeiten Pädagogen, die sich für den Entwicklungsstand und Eigensinn des einzelnen Kindes wenig interessieren.

Was sagen wir dem Kind, wenn wir ihm eine Schablone anbieten? Im übertragenen Sinn drücken wir damit aus: Hier hast du eine Schablone, ich traue dir nicht zu einen eigenen Esel zu malen. Oder, anders ausgedrückt: ich hätte den Esel gerne so, wie die Schablone vorgibt. Deine Vorstellung vom Esel interessiert mich nicht.

Die Frage, warum soll das Kind überhaupt einen Esel malen, drängt sich bei all den Überlegungen zusätzlich auf. Trauen wir den Kindern zu, ihr eigenes Thema zu finden, zeigen wir ihnen damit Achtung und Respekt.

Wir müssen uns eines immer wieder bewusst machen: Die Kinder malen nicht, um uns Erwachsenen einen Gefallen zu tun. Sie malen nicht, um Vorstellungen und Phantasien der Erwachsenen aufs Papier zu bringen. Sie malen aus sich heraus und für sich !

Sie malen, gestalten, kleben und kleistern, um sich auszudrücken, um ganz individuell Erlebtes zu verarbeiten. Die Ausdrucksweisen sind so bunt und unterschiedlich, wie die Kinder selbst.

Unsere Aufgabe ist es, ihnen alle erdenklichen Möglichkeiten dafür zu bieten. Kinder brauchen Licht, Luft, Platz, gutes Papier, verschiedene Farben, Pinsel, Schwämme, Rollen, – ein gut sortiertes hochmotivierendes Atelier und alle Zeit der Welt. Sie brauchen sinnliche Farbmisch-Erlebnisse, die Möglichkeit nicht nur mit den Händen, sondern auch mal mit den Füßen oder mit geschlossenen Augen nach Musik zu malen. Sie brauchen Staffeleien drinnen wie draußen in der Natur. Sie brauchen Erwachsene, die sie einfühlsam begleiten und sie in ihrer ganzen Persönlichkeit annehmen.

Wir achten und respektieren den Entwicklungsstand, die Individualität und den Eigensinn eines jeden Kindes!

Wenn wir das ernst nehmen, dann erklärt es sich von selbst, warum wir auf Schablonen verzichten müssen. Kinder brauchen keine Schablonen! So, nun genug geschrieben zum leidigen Thema „Schablone“ Wenn ich mit diesem Artikel erreiche, dass auch nur eine einzige Leserin ihre Schablonen mit Lust zerreißt, dann hat sich das Schreiben für mich schon gelohnt….

Mit kreativen Grüßen!

Ihre Mariele Diekhof

Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin,
als Erwachsener einer zu bleiben.
Pablo Picasso – spanischer Maler 1881-1973

PS: Es geht mir in diesem Artikel um Motiv-Schablonen, da gibt es noch die geometrischen Schablonen, die ich für sehr geeignet halte. Die Geo-Schablonen ermöglichen den Kindern beispielsweise Würfel, Briefumschläge, Tüten, Kästchen und ähnliches zu skizzieren, auszuschneiden, zu falten und zu kleben.. Auch eine große Anzahl an geometrischen Formen-Schablonen , wie Dreieck, Kreis, Quadrat, Rechteck, Trapez, Parallelogramm und Raute würde ich den älteren Kindern unbedingt anbieten. Darauf möchte ich in diesem Artikel nicht näher eingehen, mehr dazu in meiner Broschüre „Kind und Kunst“