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Vom Traumberuf hin zur Wirklichkeit im Kita-Alltag und zurück

Weißt du noch, warum du Erzieherin geworden bist? Was hat dich bewogen, diesen wunderbaren Beruf zu ergreifen? War es ein Herzenswunsch von dir? Wovon hast du geträumt und wie hast du dir während deiner Ausbildung den bunten Alltag mit den Kindern in der Kita vorgestellt? Erinnerst du dich?

Ich möchte dir gerne ein wenig von mir erzählen, warum ich Erzieherin geworden bin. Meine Kindheit verbrachte ich überwiegend mit meinen drei Geschwistern und unzähligen Nachbarkindern draußen in der freien Natur. Stundenlang streiften wir durch den naheliegenden Wald, vergaßen beim Spielen und Streiten die Zeit und erlebten die tollsten Abenteuer. Natürlich mussten wir Kinder auch im Haushalt und im Garten helfen. Ich erinnere mich ans unermüdliche Socken waschen, Erbsen döppen, Geschirr spülen, Hühner füttern, Beete harken und auch daran, wie stolz ich war, wenn die Arbeit getan war. Ich gerate regelrecht ins Schwärmen, wenn ich an meine wilde und unbekümmerte Kindheit denke.

Genau wie Christian Morgenstern kann ich sagen „Noch heute spüre ich die Sonnenstrahlen meiner Kindheit in mir“. Ich behaupte sogar, dass ich es meiner unbeschwerten Kindheit zu verdanken habe, dass ich eine innere Stärke entwickeln konnte. Eine Stärke, die ich ganz besonders dann spüre, wenn es mal nicht so rund läuft im Leben. Manchmal frage ich mich, was meine glückliche Kindheit ausgemacht hat. Ich denke, es war das berauschende Gefühl der Freiheit und der kleinen Verantwortungen. Unsere Tage waren unverplant, wir Kinder standen nicht unter Beobachtung und wir wurden meistens von den „langweiligen“ Erwachsenen in Ruhe gelassen. Vor dem Zubettgehen gabs noch eine Runde „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Spitz pass auf“ und dann war auch gut. Ab ins Bett! Was für ein Leben! Was für eine gelungene und entspannte Vorbereitung auf die folgende Schulzeit.

So eine märchenhafte, freie und unbeschwerte Kindheit wünsche ich von ganzem Herzen allen Kindern dieser Welt. Eine friedliche Kindheit, die nachhaltig wirkt, die stark, klug, empathisch und glücklich macht. Eine Kindheit, die zum Forschen und Staunen anregt und geprägt ist von Abenteuerlust, Bewegung und Eigenständigkeit. Solange ich zurückdenken kann, waren das meine Träume und Visionen, und genau aus dem Grund bin ich Erzieherin geworden und wollte es immer sein.

Kinder sind das Größte, das Wertvollste, das Wunderbarste auf der Erde. Sie bei der Entdeckung ihrer kleinen Welt zu begleiten, ihnen unzählige Glücksmomente zu schenken, mit ihnen gemeinsam zu staunen, zu forschen, zu lachen und zu philosophieren…. Das war immer ein Herzenswunsch von mir. Gibt es einen schöneren Beruf? Was meinst du? Entdeckst du Parallelen zu deinen Träumen und Visionen?

Alle Pädagog/innen, Erziehungswissenschaftler, Hirnforscher und Bildungsforscher sind davon überzeugt, dass alle Kinder genau das brauchen: Eine herzliche Begleitung, ein anregendes Umfeld, Verantwortlichkeiten, Rituale und Zeit zum Abtauchen in ihre Welten – damit sie sich gesund entfalten und wachsen können. Sie brauchen Erwachsene, die sie beschützen, sie gleichermaßen in Ruhe lassen und gemeinsam mit ihnen zu Forschern und Entdeckern werden. Vielleicht kennst du mein Märchen „Das schönste Geschenk“? Du entdeckst es hier auf dieser Seite. Beim Lesen des Märchens tauchst du in ein Abenteuerland ein, so wie ich es mir für die Kinder wünsche.

So, genug geträumt!
Wir alle wissen, dass der Alltag derzeit in vielen deutschen Kindertagesstätten ganz anders aussieht. Studien besagen, dass sich mehr als die Hälfte der Erzieherinnen erschöpft fühlt.

Was ist von unseren Traumvorstellungen,
von unserem Traumberuf geblieben?

Der Krankenstand ist bundesweit bedenklich und es mangelt flächendeckend an Fachkräften. Der Beruf der Erzieherin hat an Attraktivität verloren. Viele meiner Seminargäste bestätigen das, und jeder kennt mindestestens eine Person, die unter Burnout leidet. Es wird vom überbordenden Bürokratismus berichtet, fast alle Erzieherinnen nehmen den sogenannten „Schreibkram“ mit nach Hause, weil dafür in der Kita bedingt durch Personalmangel kaum Zeit bleibt. Auch die oft völlig übertriebene Angebotspädagogik tut niemandem gut. Zusätzlich machen uns so manch merkwürdige und unsinnige Auflagen von verschiedensten Ämtern zu schaffen. Kinder dürfen die Kita-Küche nicht mehr betreten, gewickelt wird nur noch mit Gummihandschuhen, selbstgebackene Kuchen dürfen nicht mehr angenommen werden, alle Türen müssen aus Brandschutzgründen geschlossen bleiben, Topfblumen müssen raus, Schürzen umgebunden sein. Mir wird von all den Berichten schwindelig und ich stelle mir die Frage:

Was ist aus dem Traum der kindgerechten Kita geworden, bei der die Kinder im Mittelpunkt stehen? Wo ist die Leichtigkeit geblieben? Darf es sein, dass wir – trotz Personalmangel – bis zur Erschöpfung Entwicklungsberichte, Dokumentationen und Portfolios erstellen und umfassende Beobachtungsbögen ausfüllen? Was hat das Kind davon? Wem nützt das? Wer denkst sich so etwas aus? Darf es sein, dass wir so manche unsinnige Auflagen befolgen, obwohl wir damit unseren Bildungsauftrag gefährden? Wohin führt das, wenn wir nicht endlich die Notbremse ziehen? Ich habe neulich einen Satz gelesen, der mir zu denken gibt:

*Einst haben wir für unseren Beruf gebrannt –
heute fühlen wir uns in unserem Beruf ausgebrannt*




Wie lange machen wir das noch mit? Wollen wir darauf warten, dass jemand an die Tür klopft und die verlorengegangene Leichtigkeit, Entspannung und Lebensfreude zurückbringt und dann im selben Zuge unseren gesamten Schreibkram einkassiert und damit verschwindet? Das passiert leider nur im Märchen. Nein, es gibt einen anderen Weg …

Los geht’s – der gemeinsame Weg zurück zur entspannten Pädagogik!



Ich möchte euch unbedingt dazu ermutigen tätig zu werden. Sprecht mit eurer Leitung/dem Träger. Entwerft gemeinsam einen Plan! Einigt euch mit dem Träger darauf, dass die schriftlichen Arbeiten auf ein Minimum reduziert werden, bis der Fachkräftemangel ein Ende hat. Nehmt nichts mehr mit nach Hause. Schaut gemeinsam, wie die Arbeitsbedingungen in eurem Haus optimiert werden können. Alle im Team werden aufgefordert Ideen zusammenzutragen. Was ist möglich? Was brauchen wir, um gesund zu bleiben, um unsere Träume und Visionen zu leben? Was muss getan werden, um den Kindern und uns eine Bullerbü-Welt zu schaffen, in der wir alle lernen, leben und träumen dürfen? Bezieht die Eltern mit ein. Ich bitte die Leiterinnen: Bildet eine tatkräftige Allianz mit Vertretern des Trägers, des Teams, der Elternschaft. Formuliert ganz klar eure Ziele und plant eure Schritte, die notwendig sind, um die Ziele zu erreichen. Verteilt dafür die Verantwortungen.

Setzt euch beispielsweise auf Augenhöhe mit den Behörden auseinander. Das Hygieneamt hat einen Auftrag, aber auch wir haben einen (Bildungs-) Auftrag. Seid Anwälte der Kinder, schützt sie vor den Folgen unsinniger Auflagen und wehrt euch dagegen. Tragt Argumente zusammen und geht damit in die Diskussion. Dies könnte im Verantwortungsbereich der Leitung liegen, hier mal ein Beispiel: Die Auflage wäre, beim Wickeln Gummihandschuhe zu tragen. Argumentation dagegen: Die Kinder mit Gummihandschuhen zu wickeln, auch gegen deren Willen, gefährdet die Partizipation und verletzt die Würde des Kindes. Zudem schaden die Unmengen an gebrauchten Gummihandschuhen der Umwelt. Alternative: Gründliches Händewaschen vor und nach jedem Wickeln…… etc.. Bitte nicht jammern und klagen und einknicken, sondern unbedingt professionell und zielgerichtet die Auseinandersetzung führen.

Auch der Einsatz von Vorlese-Paten oder Ehrenamtlichen, die in der Mittagszeit beim Bedienen der Kinder aushelfen, kann eine große Hilfe sein. Darüber könnte ich ein ganzes Kapitel schreiben …

Seid mutig und unterstützt euch gegenseitig. Jeder Träger möchte ein gesundes Team und glückliche Kinder in seiner Einrichtung.

Ein vertrauensvolles Verhältnis zum Träger ist der Schlüssel zum gesunden Team und zum entspannten Arbeiten. Wenn er grünes Licht zum Bürokratieabbau gibt, ist der erste Schritt getan …

Was aber, wenn das Verhältnis zum Träger getrübt ist und ihr kein offenes Ohr für eure Belange dort findet? Ein Weg könnte sein, dass die Leitung dem Träger die brenzlige Situation in der Kita schriftlich schildert und um einen Gesprächstermin bittet. In diesem Gespräch bittet die Leitung um Unterstützung und macht diesbezüglich konkrete Verbesserungs-Vorschläge, die sie zuvor mit dem Team erarbeitet hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es eher ein Entgegenkommen seitens des Trägers gibt, wenn es eine zeitlich bregenzte „Probierphase“ gibt.

Sollten Leitung und Team noch immer alleine gelassen werden, dann wäre die nächste Option wohl eine Überlastungsanzeige.

Wichtig zu wissen:
Die Leitung sollte unbedingt zuvor den Träger informieren, dass sie gesetzlich verpflichtet ist, wenn die Belastungsgrenze erreicht und das Wohl des Teams oder der Kinder gefährdet ist. (Arbeitsschutzgesetz § 15 ff) Der Träger wiederum ist gesetzlich verpflichtet, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu gewährleisten und drohende Gesundheitsprobleme abzuwenden (Arbeitsschutzgesetz § 4) Der Träger kann haftbar gemacht werden für Schäden, die aus einer Überlastungssituation entstehen und bei denen trotz Hinweis der Leitung keine Abhilfe geschaffen wurde. Eine abgegebene Überlastungsanzeige der Leitung schützt das Team vor arbeitsrechtlichen, zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen. Eine Überlastungsanzeige sollte spätestens dann abgegeben werden, wenn abzusehen ist, dass das Team aus eigener Kraft die Arbeit nicht mehr leisten kann, insbesondere wenn die Betreuung und Sicherheit der Kinder nicht gewährleistet werden kann. Diesbezügliche weitere Infos erhaltet ihr von der Gewerkschaft, aber auch das Recherchieren im Internet macht Sinn.

Und nun drücke ich ganz doll die Daumen, dass es soweit niemals kommen wird!

So oder so, macht euch stark, setzt euch ein, damit euer Beruf wieder zum Traumberuf wird! Ich wünsche euch dafür alle Kraft der Welt und eine riesige Portion Optimismus. Zum Wohle aller kleinen und großen Leute in der Kita!

Kommt zum Auftanken herzlich gerne mal wieder zu mir nach Berlin in die Kitopia. Meine Elke und ich tun alles, um euch unvergessliche Stunden zu bereiten. Hier auf meiner Homepage entdeckt ihr alle meine Themen, Inhalte und Termine. Viel Freude beim Stöbern!

Alles Liebe und herzliche Grüße von Mariele

Eine Birken-Geschichte

Von der alten Frau, die die Zweigen-Sprache verstand

Eine baumelnde Baumgeschichte, die in den Zweigen der Birke hängt

Ein Erlebnis für Kinder ab etwa 5 Jahre

Liegt ihr alle schön gemütlich? Dann kann es ja losgehen mit der Birken-Geschichte. Wir liegen hier unter einem ganz besonderen Baum. Schaut mal hoch und seht euch die Zweige genau an…………………………………………….

Erzähl-Pause

Seht ihr, wie sie sich im Wind leicht bewegen? Sie wollen uns etwas erzählen. Doch leider verstehen wir die Zweigen-Sprache ja nicht.

Vor vielen, vielen Jahren, da lebte einmal eine alte Frau, nicht weit von hier in einer verfallenen Hütte. Und diese alte Frau hatte eine ganz besondere Gabe. Ihr werdet es nicht glauben, aber diese alte Frau verstand die Zweigen-Sprache. Niemandem sonst auf der großen weiten Welt ist das bisher gelungen. Und viele haben es versucht, das könnt ihr mir glauben.

Um die Zweigensprache zu verstehen, muss man sehr viel Geduld und Zeit haben, verriet die alte Frau allen Menschen, die das auch lernen wollten. Doch noch nie gab es auch nur einen einzigen Menschen, der geduldig genug war, um die Zweigensprache zu verstehen. Diese Birke, unter der wir hier liegen, war der Lieblingsbaum der alten Frau. Sie kam jeden Tag hierher und legte sich unter diesen prächtigen Baum mit der weißen Rinde. Stundenlang schaute sie hoch und beobachtete die Zweige, wie sie sich im Wind bewegten. Mal nur sehr schwach, an anderen Tagen blies kräftiger Wind und die Zweige schaukelten hin und her.

Immer hatten die Zweige etwas zu erzählen und alles was sie erzählten klang wie Dichtung, wie traumhafte Poesie. Die alte Frau hat alles, was diese Birke ihr erzählt hat, aufgeschrieben und in einer alten Holzkiste gesammelt, damit kein Satz verloren geht. Ist das nicht wunderbar? Vor langer Zeit ist die alte Frau gestorben und hat mir vor ihrem Tode die wertvolle Kiste überreicht. Möchtet ihr sie sehen?

Erzählerin holt eine geschlossene Holzkiste hervor. Schaut mal, hier ist sie. Diese uralte Kiste gehörte der alten Frau. In dieser Kiste hat sie alle Gedichte gesammelt. Alles was die Zweige ihr erzählt haben, jedes Wort und jeden Satz. Alles steckt in dieser Kiste. Ist das nicht phantastisch? Erzählerin holt einen der Zettel heraus oder lässt die Kinder einen Zettel ziehen. Feierlich wird der Text vorgetragen.

Hörst du uns singen, alte Frau
Wir singen vom Wind und vom Regen
Die Luft ist kalt und so rau
Matsche auf allen Wegen

Hörst du uns flüstern, alte Frau
Wir flüstern für dich im Wind
Die Luft ist sonnig, warm und lau
Spürst du die Wärme, himmlisches Kind?

Hörst du uns rufen, alte Frau
Wir rufen im Sturme dir zu
Die Äste knacken, die Wolken so grau
Vorbei ist die himmlische Ruh

Hörst du uns sprechen, alte Frau
Wir sprechen vom Hagel und Schnee
Die Wolken am Himmel so dicht und grau
Der eisige Wind tut so weh

Hörst du uns lachen, alte Frau
Wir lachen gerne im Winde
Der Himmel so weit und so blau
Weiß ist des Baumes Rinde

Nachsatz

Ich bin ziemlich sicher, dass es den Kindern und Ihnen – mit ganz viel Geduld – auch gelingen wird, die Zweigensprache zu verstehen. Ganz bestimmt. Natürlich muss jeden Tag mit viel Ausdauer gelauscht werden. Dazu legt ihr euch gemütlich unter die Birke, seid ganz, ganz still und schaut hoch in die Zweige.

Wie mir die alte Frau verriet, kann man nach 177 Stunden schon die ersten kleinen Wörter hören….

Also nicht aufgeben und dranbleiben …


Wer die Zweigensprache lernen will,
braucht viel Geduld und Zeit.
Man liegt dann stundenlang ganz still
und übt sich in Gelassenheit.

Post für die Eltern – Wir schenken den Kindern *Angebote der besonderen Art*

Liebe Eltern!

Sicher wissen Sie was gemeint ist, wenn wir von sogenannten *pädagogischen Angeboten* reden. In vielen Kitas dreht sich alles darum, die fest eingeplanten Angebote bestimmen nicht selten den Alltag: Freitags um elf wird Yoga angeboten, donnerstags um zehn trifft sich eine Gruppe zum gemeinsamen Musizieren im Bewegungsraum, die andere Gruppe dann dreißig Minuten später. Dienstags wird um vierzehn Uhr gekocht und gebacken, vormittags geht’s in den Supermarkt zum Einkaufen. Die Tanz-Jolanta kommt immer mittwochs um halb zehn, der Englisch-Peter lockt alle angemeldeten Kinder um halb zwölf in den Nebenraum. Alle müssen da mitmachen, die Eltern haben schließlich bezahlt.

Zwischendurch etwas Zeit zum freien Spielen, dann aufräumen, Tisch decken, essen, abräumen, ruhen, draußen spielen und wieder reinkommen zum nächsten Angebot … Das ist in vielen Einrichtungen Realität.

Liebe Eltern, uns geht gerade schon beim Schreiben die Puste aus, wie mag es erst den Kindern dabei ergehen? Wie oft werden sie durch die zeitlich eingetüteten Angebote wohl aus dem selbstbestimmten Spielen und Lernen herausgerissen? Ist es gut für die Kinder, wenn Erwachsene sich ständig Neues ausdenken, um sie zu bespielen? Rauben wir den Kindern damit nicht Ihre Phantasien, ihre Kreativität und nehmen wir ihnen nicht eine große Portion Eigenverantwortung ab?

(„Na, mal sehen, was sich die Erzieherinnen heute wieder für uns ausgedacht haben…“)

Wir haben uns im Team Gedanken gemacht und möchten weniger Zeitdruck und Angebotsverplanungen – und dennoch, oder gerade deshalb mehr Bildungsfreude und Lernerfolge für Ihre Kinder schaffen. Wir wollen die Kinder mit „Angeboten der besonderen Art“ begeistern, verzaubern und inspirieren. Um Sie darüber zu informieren, schildern wir hier einmal alltagsnah den Unterschied zwischen beiden Angebots-Formen.

Beispiel: Geplantes Angebot Es ist Donnerstag 10 Uhr, Regina möchte drinnen gemeinsames Musizieren anbieten. Situation: Viele Kinder spielen schon im Garten, einige buddeln versunken im Sandkasten, andere sitzen auf den Bäumen, in der Schaukel, auf der Wippe. Manche hocken in den Büschen und jagen wilde Tiere, andere schieben Puppenwagen umher oder rollen mit Fahrzeugen über die Plattenwege. Dann kommt Regina und es schallt durch den Garten: „Mia, Luis, Ella, Linus, Jakow, Anton, Esra !! Rein-ko-mm-en! Wir machen drinnen Musiiiiik“. Regina sorgt dafür, dass alle aufgerufenen Kinder ihr freies Spiel unterbrechen und mit ihr ins Haus kommen.

Beispiel: Angebot der besonderen Art Es ist Donnerstag 10 Uhr – oder auch nicht. Der Tag und die Uhrzeit sind einerlei. Regina nimmt sich die Gitarre und setzt sich damit auf die Bank unter die Birke. Sie beginnt zu spielen und singt dazu. Einige Kinder genießen beim Buddeln die schöne Atmosphäre, lauschen der Musik, singen vielleicht mit und lassen sich nicht weiter stören. Andere rennen zu Regina und setzen sich zu ihr. Manche wollen nur lauschen, andere mitsingen. Einige wollen vielleicht tanzen und Regina holt noch Tanztücher und Rasseln raus … Wie es weitergeht? Das weiß man nicht. Aber eines ist sicher: Durch die bunte Palette der *Angebote der besonderen Art* werden alle Kinder angesprochen, und sie selbst bestimmen, was genau jetzt für sie wichtig und interessant sein könnte – oder auch nicht! Das ist pure Partizipation! Denn:

„Angebote sind nur dann Angebote, wenn sie auch abgelehnt werden können. Sonst wären es ja Zwangsgebote“

Übrigens: Die gesamte Kita steckt voller Angebote der besondern Art: • Die Bäume bieten sich zum Klettern und Mutig-sein an. • Unser Brachland bietet sich zum Toben und Rennen an. • Die Bretter, Kisten und Latten bieten sich zum Bauen und Konstruieren an. • Unsere Bücher bieten sich zum Blättern, Betrachten und Staunen an. • Unser Kreativbereich bietet sich zum Malen, Zeichnen und Gestalten an. • Und so weiter … lassen Sie sich von Ihren Kindern die Vielfalt zeigen …

Liebe Eltern, sollten Sie noch Fragen oder Anregungen zu dieser besonderen Form der entspannten Angebotspädagogik haben, so sprechen Sie uns doch bitte an. Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche mit Ihnen!

Mit ganz besonderen Grüßen

Ihr Kita-Team der Kita _________________________

Post für die Eltern –
Sich im Spielen vergessen, stärkt Körper, Geist und Seele

Liebe Eltern!

Gehören Sie zu den glücklichen Menschen, die eine Lieblingsbeschäftigung haben und darin voll abtauchen können? So sehr, dass Sie die Welt um sich herum total vergessen? Dann kennen Sie dieses Gefühl, sozusagen „mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein“.

Kinder erleben dies tagtäglich, wenn sie ihr Thema finden und völlig darin aufgehen. Das kann beim Bauen und Konstruieren sein, beim Malen und Gestalten, beim Buddeln, Tüfteln oder Experimentieren. Die Bildungsforschung bestätigt, dass Kinder in solchen Situationen zu 100 % lernen, alle Antennen sind ausgefahren.

Wir möchten Ihnen das gerne mit einem ganz einfachen Beispiel verdeutlichen:

Drei Kinder hocken draußen zusammen und spielen mit Wasser, Erde, Steinen und Stöckchen. Was passiert da gerade?

Der Austausch untereinander trägt zur Sprachentwicklung und zum sozialen Miteinander bei. Die Phantasie und Kreativität wird angeregt, intensive Experimentierfreude geweckt, Materialerfahrungen werden ermöglicht, die taktile Wahrnehmung angeregt. Es kommt zu intensiven Sinneserfahrungen und zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Ursache und Wirkung. Zudem wird die Konzentration und Ausdauer geschult, Neugierde und Forschergeist werden befriedigt. Die Kinder erleben in ihrem selbstbestimmten Tun Entspannung, Zufriedenheit und Glücksgefühle. Sie vergessen sich im Spiel. Man könnte auch sagen, sie vergessen sich im Lernen. Denn Spielen ist die höchste Form des Lernens im Vorschulalter.

Uns ist bewusst, dass Kinder sich nur soweit entwickeln, wie wir es zulassen und möglich machen. Kinder brauchen „Bildungsfutter“.

Wir möchten den Kindern eine kindgerechte anregende Umgebung bieten, sie neugierig machen auf die spannenden Dinge, die es überall zu erforschen gibt. Drinnen, wie draußen in der freien Natur. Wir schenken ihnen Zeit, um sich und ihre kleine Welt zu entdecken.

Dabei stehen wir ihnen zur Seite und schauen, ob sie neue Herausforderungen, neue Materialien, Ruhe, Trost, Zuspruch oder uns zum Mitmachen und Helfen brauchen. Dies zu erkennen und so zu reagieren, dass es der Entwicklung und dem Wohlbefinden des Kindes dienlich ist, das sehen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben an.

Eine weitere Herausforderung sehen wir darin, sie für gemeinsame Gruppen-Aktionen zu begeistern. Das kann der traditionelle Morgenkreis sein, der Sport im Bewegungsraum, das Tanzen, das gemeinsame Musizieren, Basteln, Malen, Backen oder Werken. Auch der Spielhof lädt zu gemeinsamen Aktionen ein: Kreisspiele erleben, Natur-Mandalas gestalten, das Anlegen eines kleinen Gartens, das Ernten und Zubereiten von Früchten interessiert bestimmt viele Kinder.

Hier ist pädagogische Feinfühligkeit angesagt. Einerseits möchten wir die Kinder nicht unnötig aus ihren selbstbestimmten „Bildungsinhalten“ herausreißen, andererseits möchten wir ihnen einen bunten Strauß an gemeinsamen Aktionen anbieten.

Wir haben einen wunderbaren Weg gefunden, der beiden Seiten – dem selbstbestimmten Spiel und dem Erleben pädagogischer Angebote in der Gruppe – gerecht wird. Die persönliche Entwicklung eines jeden Kindes kommt dabei zur vollen Entfaltung und sie werden bestens auf die Schule vorbereitet.

Na, neugierig geworden? Dann freuen Sie sich auf die nächste ELTERN-POST. Darin dreht sich alles um unsere „Angebote der besonderen Art“. Nicht nur die Kinder, sondern auch Sie, liebe Eltern, werden ganz bestimmt begeistert sein, versprochen!

Mit herzlichen und spielerischen Grüßen!

Ihr Kita-Team der Kita Kitopia

Kinder unter Beobachtung

Das Wort „Beobachtung“ im Zusammenhang mit Menschen erzeugt bei mir eine innere Abwehr. Wer von uns Erwachsenen möchte gerne „unter Beobachtung“ stehen? Kinder empfinden ebenso und werden dennoch zunehmend von der Erwachsenenwelt beobachtet, analysiert und auf Förderbedarf eingeschätzt. Es gibt mittlerweile einen Wust an Beobachtungsbögen, immer umfangreichere Modelle überschwemmen den Markt. Inzwischen wird in den deutschen Kitas eine Art Beobachtungs- und Dokumentationsaufwand betrieben, der zunehmend dem Alltag die Leichtigkeit nimmt.
*

Stellen Sie sich doch einmal folgendes vor:

Während Sie morgens genüsslich frühstücken, werden Sie intensiv beobachtet. Ihre Mimik, Ihre Gestik, die Körperhaltung, alles wird mit Blicken erfasst. Wie halten Sie das Messer in der Hand, wie beißen Sie vom Brötchen ab, was essen Sie? Lesen Sie Zeitung währenddessen oder unterhalten Sie sich mit dem Tischnachbarn? Sprechen Sie in ganzen Sätzen, kauen Sie während Sie sprechen, wie drücken Sie sich aus? In welcher Stimmung und körperlichen Verfassung sind Sie? Anschließend würde es eine – natürlich wertfreie- objektive Zusammenfassung der Beobachtung im speziell dafür entwickelten Beobachtungsbogen geben, vielleicht noch ergänzt mit ein bis zwei Fotos, die von Ihnen während des Brötchenkauens in Nahaufnahme geschossen wurden. Na – würde Ihnen das gefallen? Wie lange würden Sie sich das gefallen lassen?
*

Schenkt man Ihnen stattdessen jedoch Beachtung, fühlt sich das wesentlich angenehmer an. Auch Kinder wollen – von uns Erwachsenen – BEACHTET werden, sie möchten sozusagen auf Augenhöhe mit Achtung, Wertschätzung und Respekt begegnet werden. Eine Beobachtung aber schaut immer von OBEN herab auf das Kind.

Hätten Kinder einen Anwalt, würden sie sich wohl vehement gegen die emsig betriebene Beobachtungshysterie der Erwachsenen wehren!

Umfangreiche Beobachtungsverfahren mögen in der klinisch – psychiatrischen Praxis ihre Berechtigung haben. Die Kinder in den Kitas sind jedoch keine Patienten und wir PädagogInnen keine Therapeuten! Bemerken Sie einen Unterschied in den folgenden Sätzen? „Heute beobachte ich die Livi und den Jakow.“ Oder: „Heute schenke ich Livi und Jakow meine ganz besondere Beachtung.“. Die Notizen werden nicht in einem umfangreichen „Beobachtungsbogen“, sondern im überschaubaren *Beachtungsbogen* eingetragen.

* * *

EIN VIERTEL DER ARBEITSZEIT FÜR BÜROKRATIE?

Neuste Berechnungen zeigen, dass etwa 25 % der Arbeitszeit der Erzieher/innen für den Aufwand der derzeit – von Gesetzgebern, Ministerien und Trägern – erwarteten, bzw. verlangten Dokumentationen benötigt wird.

In der Praxis würde das bedeuten, dass jede Erzieherin mindestens einen ganzen Tag in der Woche sitzend am Schreibtisch verbringt. Und das bei einem ohnehin niedrigen Personalschlüssel.
*

Mir stellen sich einige Fragen:

  • Gibt es eine Personalaufstockung, damit der Aufwand betrieben werden kann? Wenn nein – gibt es ein praxistaugliches Rezept für die zeitliche Umsetzung? Oder wird erwartet, dass die Arbeiten zuhause erledigt werden? Meine Umfragen in der KITOPIA zeigen, dass derzeit etwa 60 % der Erzieher/innen einen Teil der Schreibarbeiten zuhause erledigen. Ich halte das nicht nur aus datenrechtlichen Gründen für bedenklich!
  • Wie viele Millionen Euro in etwa kostet der angestrebte Bürokratismus, inklusive aller Materialien und diesbezüglichen Schulungen? Gelder, die angeblich in die Bildung fließen …
  • Unzufriedenheit und Druck im Team nehmen zu. Einer Studie zufolge fühlen sich ohnehin knapp 70 % der pädagogischen Fachkräfte gestresst. Warum wird dennoch – von Fachleuten, die nicht in der Kita arbeiten – an dem immensen Schreibaufwand kritiklos festgehalten?
  • Warum werden kritische Stimmen der Pädagog/innen, die an der Basis arbeiten, nicht oder kaum gehört? Sind sie nicht die eigentlichen Experten?
  • Kann es sein, dass viele Auflagen, die von außen an die Kitas herangetragen werden, von Fachleuten entwickelt wurden, die nie in einer Kita gearbeitet haben? Die nur vage eine Vorstellung davon haben, wie die Arbeitsbedingungen im pädagogischen Alltag aussehen?
  • Wem nützt der betriebene Aufwand? Wer liest all die Doku-Papiere? Steht der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen? Was hat das Kind davon?
  • Warum werden manche Beobachtungsbögen, deren Einsatz und Handhabung einen zu hohen Zeitaufwand erfordern, nicht als praxisuntauglich mit Respekt, aber dankend abgelehnt?
  • Ganz Deutschland bürokratisiert „sich zu“ und alle machen mit. Nicht nur in den Kitas, auch in den Altenheimen und Krankenhäusern wird bis zur Erschöpfung Bürokratie betrieben. Warum gelten nicht zukünftig all die Einrichtungen als „privilegiert“, denen mit wenig Aufwand hervorragende Dokumentationen gelingen?

Gibt es Antworten auf meine Fragen? Her damit, ich stehe ihnen offen und neugierig gegenüber …
*

Parallel dazu möchte ich einen einfachen, aber effektiven Weg aufzeigen, der von Würde und Achtung gegenüber dem Kind und der Erzieherin geprägt ist und weniger dazu auffordert, nach Anleitung zugewiesene Bögen akribisch „abzubeobachten“.

Beobachtung verletzt die Würde des Kindes Beachtung schenkt ihm Wärme und Wertschätzung

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DAS ZIEL ALLER BEOBACHTUNGS-INSTRUMENTE

Das Ziel aller auf dem Markt befindlichen Beobachtungs-Instrumente ist sicher, dass sie dem Kind in seiner Persönlichkeitsentfaltung, in seiner gesunden Entwicklung von Körper, Geist und Seele dienlich sein sollen. Sie geben den „Beobachtern“ eine Art Leitfaden und tragen dazu bei, dass alle Bereiche berücksichtigt werden. Ressourcen eines Kindes sollen erkannt, aber auch Schwierigkeiten entdeckt und „behoben“ werden. Auch bewusst wahrzunehmen, ob das Kind Hilfe von Experten (Logopäden, Ergotherapeuten, Ärzten etc.) benötigt, ist Ziel eines Beobachtungsverfahrens.
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Diese wichtigen Ziele können jedoch nur erreicht werden, wenn die „Instrumente“ praxistauglich sind und von den Erzieher/innen im Alltag leicht eingesetzt werden können. Sie sollen als Hilfe, Leitfaden und zur Unterstützung dienen und nicht als Belastung wahrgenommen werden. Genau das scheint mir aber zunehmend der Fall zu sein.

Praxisuntaugliche Instrumente werden sozusagen von ganz oben verordnet und „übergestülpt“. Alle Welt redet von Partizipation, von Mitbestimmung. Wo bleibt die Mitbestimmung der Erzieher/innen, wenn es um die Auswahl ihrer „Arbeitsinstrumente“, sprich Beachtungsbögen geht? Jeder Handwerker sucht sich sein Werkzeug auch selbst aus und wägt die Qualität sorgsam ab.

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WAHRNEHMUNGSSCHULUNG

Ich plädiere dafür, mehr Zeit mit den Kindern als am Schreibtisch zu verbringen. Sie bewusster wahrzunehmen, einen Sinn in ihrem Tun zu erkennen und ihnen alle Zeit der Welt zu schenken. Zeit für ihre ureigene individuelle Entwicklung, deren einfühlsame Begleitung die wichtigste und wertvollste Aufgabe der Erzieherin ist.

Es geht mir zunächst vordergründig um die Wahrnehmungsschulung der pädagogischen Fachkräfte. Es geht um Bewusstmachung und um eine kritische Selbstreflexion. Meine ureigene Wahrnehmung hat immer etwas mit meiner Biografie zu tun. Sich das bewusst zu machen, ist der erste Schritt.

Beispiel: Zwei Erzieherinnen beobachten zur selben Zeit den fünfjährigen Leon. Leon klettert über Tische und Stühle, zieht sich am Fensterbrett hoch und springt mit Wucht auf einen Berg Kissen, den er sich aufgetürmt hat. Regina (eine ruhige „Tischspiel -Sympathiesantin“) empfindet das Tun von Leon sicher anders als ihre bewegungsfreudige Kollegin Ute. Auch wenn allerorts von wertfreien Eintragungen und Formulierungen die Rede ist, die Gefahr der Stigmatisierung ist nicht zu unterschätzen. Reginas Schlussfolgerung könnten lauten: „Leon kommt nicht zur Ruhe, ist hektisch, findet nicht ins Spiel, ist laut und unkonzentriert“. Ute würde vielleicht folgende Sätze notieren: „Leon ist sehr bewegungsfreudig, grob- und feinmotorisch gut entwickelt, phantasievoll, vorausschauend und voller Lebensfreude“.

Dieses Beispiel macht deutlich, wie wichtig die Wahrnehmungsschulung ist. Auch in den Fachschulen und Seminaren sollte dies einen noch höheren Stellenwert einnehmen.

Bewusste Wahrnehmung hat das Ziel, nicht das Kind sondern mein eigenes Verhalten in Frage zu stellen. Was hat meine Biografie, meine Ausstrahlung, mein Empfinden, meine Ausdrucksweise, meine Persönlichkeit, meine Religion und Wertvorstellung mit der Entwicklung des Kindes zu tun? Was muss ICH tun, damit sich das Kind weiterentwickeln kann? Wofür muss ich sorgen?

Siehe „Die 6 Schlüssel zur professionellen Bildungsarbeit“ Text ebenfalls auf meiner Homepage www.kita-beraterin.de –
*

Das Kind sagt mir zu jeder Zeit was es braucht! Dies zu erkennen ist eine hohe Kunst in der Pädagogik. Benötigt das Kind Trost, Ruhe, Bewegung, Zuwendung, Zeit, Ungestörtheit, Inspiration, Zweisamkeit, meinen Humor, Unterstützung, Aufmunterung, Anerkennung, Verantwortung, neue Herausforderungen? Es geht darum hinzuschauen und wahrzunehmen. In der Beachtung neue Prioritäten setzen, darauf kommt es an!

Auf Augenhöhe sein, sich in die Welt des Kindes hineinzuversetzen, seine Ziele und Herangehensweisen, seine Botschaften zu erkennen, darum dreht sich alles. Sie zu unterstützen ihren eigenen Weg selbstständig zu gehen, ihre Besonderheiten, ihre Einzigartigkeit zu erkennen, ihren Spuren in ihren Welten zu folgen, das macht eine gute Begleitung – eine professionelle Beachtung aus.
*

Diese Zeit und Muße, diese Nähe zum Kind finde ich im Alltag natürlich leichter, wenn ich nicht ein Viertel der Arbeitszeit vom Kind abwesend bin – und nicht mit einem „Beobachtungssymbol“ am Pulli und einer bunten „Defizit-Brille“ auf der Nase von oben aufs Kind herabschaue und meine Liste „abbeobachte“.

Übrigens: Ich zeige dem Kind meine Achtung, wenn ich nicht alles akribisch notiere, fotografiere und aufliste, was ich während der sogenannten „Beobachtung“ sehe und wahrnehme. Um der Würde des Kindes willen …

Ich habe einen einfachen Beachtungsleitfaden/Bogen entwickelt. Nicht, um ihn in den Kitas zu verbreiten, sondern lediglich zur Inspiration. Vielleicht kann er als Anregung dienen, um sich im Team, in der Trägerschaft damit auseinander zu setzen – um etwas EIGENES daraus zu entwickeln, etwas Praxistaugliches. Das würde ich mir wünschen! Sie finden ihn auf den folgenden Seiten in dieser Broschüre. *

Ihre Mariele Diekhof

Bürokratismus in den Kitas bedroht professionelle Bildungsarbeit

Offener Brief

Als Dozentin lerne ich in meiner pädagogischen Bildungsstätte „KITOPIA“ viele professionelle und engagierte Erzieher/innen kennen. Menschen mit viel Liebe zu ihrem Beruf, die Freude daran haben, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und die ihren Bildungsauftrag ernst nehmen. *

Auf der anderen Seite nehme ich verstärkt den Druck und Stress wahr, der auf den Schultern dieser Menschen lastet und sich lähmend auf die pädagogische Arbeit auswirkt. Ein Hauptgrund dafür ist die leidige Bürokratie. In unseren Kindertagesstätten nimmt sie einen immer größeren Raum ein. Es gibt für die Erzieher/innen mittlerweile einen Dschungel an — von wem auch immer — verordneten Formblättern, Checklisten, Vorlagen, Auflagen, Unterlagen und sonstigen Papieren. Alles wird qualitativ bewertet, dokumentiert, akribisch ausgefüllt, sortiert und abgeheftet. Wenn nicht bald die Notbremse gezogen wird, ersticken wir eines Tages an überbordender Bürokratie, die bis zum Perfektionismus hin emsig betrieben wird und so manchen Ordner verstopft. Niemanden wird es verwundern, dass dieser übertriebene Aufwand – neben der anspruchsvollen und anstrengenden Arbeit mit dem Kind — zur Überforderung führt und Krankheiten begünstigt. *

Umfragen belegen, dass sich derzeit mehr als 80 % der Erzieher/innen durch den energieraubenden Schreibaufwand gestresst und überfordert fühlen.*

Zumal in der Praxis nicht genügend „kinderfreie Zeiten“ dafür zur Verfügung gestellt werden. Mehr als die Hälfte der Erzieher/innen erledigen einen großen Teil der schriftlichen Arbeiten in ihrer Freizeit zuhause. *

Es gibt in ganz Europa kaum ein anderes Land, in dem so intensiv dokumentiert wird, wie hier in Deutschland. Allerorts ist von „Qualitätsentwicklung“ die Rede. Wunderbar! Ein schönes Wort. Doch bedeutet Qualitätsentwicklung nicht, „Sinn vom Unsinn“ zu trennen um dadurch eine befreiende Wirkung zu erzielen? Eine positive Wirkung, die sich nicht zuletzt auf das Wohlbefinden der Kinder und deren individuelle Entwicklung auswirkt? Kinder brauchen gesunde, lebensfreudige Erwachsene zur Seite. Sie brauchen einfühlsame herzliche Menschen, die Zeit für sie haben, ihnen Beachtung schenken und eine unbändige Freude am gemeinsamen Entdecken, Forschen und Lernen mit ihnen teilen. Gestresste Erwachsene behindern Kinder in ihrer gesunden Entwicklung!

Ich möchte mit diesem Brief Menschen erreichen, die Einfluss nehmen können auf diese besorgniserregende Entwicklung, die sich in den Kindertageseinrichtungen ausbreitet. Menschen, die in der Bildungspolitik tätig sind, die Kita -Trägerschaften angehören oder als Pädagogen in leitender Funktion in Kindertageseinrichtungen arbeiten. *

Qualitätsentwicklung bedeutet Entbürokratisierung*

Bitte nehmen Sie sich einmal Zeit und recherchieren Sie, was in „Ihren“ Kindertagesstätten an schriftlichen Dokumentations-Arbeiten gefordert wird. Was kommt da zusammen? Beobachtungsbögen, Portfolios, Entwicklungsberichte, Bildungs- und Lerngeschichten, Sprachlern-Tagebücher, Protokollvorlagen, Dokumentationsmappen, Kinderordner etc. Welche Qualität besitzen die Unterlagen bei näherer Betrachtung? Wie umfangreich ist beispielsweise der Beobachtungsbogen, in welchen zeitlichen Abständen soll er ausgefüllt werden? Wie sehen Inhalte und Fragestellungen aus? Wie viel Zeit wird für die Handhabung benötigt? Steht diese Zeit den Mitarbeiter/innen zur Verfügung? Steht der Aufwand im Verhältnis zur Effektivität? Und vor allen Dingen: Steht die Achtung vor dem Kind im Mittelpunkt? *

Dokumentationen sind wichtig und es gibt wunderbare effektive Instrumente, die den Kindern und Erzieher/innen gerecht werden: Die anfallenden Schreibarbeiten stehen im Verhältnis zum Ergebnis, verstopfen nicht die Ordner, sind nachhaltig und ergeben einen Sinn. Ohne dass es zur bürokratischen Überbelastung kommt. Glauben Sie mir, das ist möglich! *

Bitte nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst, gemeinsam mit Verbündete dafür zu sorgen, dass gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Reagieren Sie, wenn Sie das Gefühl haben, dass der Dokumentationswahn auch in Ihren Kindertagesstätten sein Unwesen treibt. Ziehen Sie als „Anwalt der Kinder“ die Notbremse!*

Lassen Sie sich durch Widrigkeiten nicht unterkriegen. Es lohnt sich! Ich bin fest davon überzeugt, dass eine qualitativ hochwertigere pädagogische Arbeit gedeihen kann, wenn die Bürokratie auf ein sinnvolles Maß reduziert wird. Zeitgleich wird der hohe Krankenstand in den Kitas rapide sinken, die Kinder spüren mehr Zuwendung und Wärme — ein wunderbarer Nährboden für die individuelle Entwicklung, für Bildung und Lebenslust.*

Auch bin ich überzeugt davon, dass in naher Zukunft, diejenigen Kitas als privilegiert gelten, die sich vom Doku-Wahn befreit habe und dadurch mehr Lebensfreude, Gelassenheit und Herzlichkeit durch die Räume weht.
*

Bitte kämpfen auch Sie dafür — zum Wohle unserer Kinder und der Erzieher/innen, die sie einfühlsam begleiten und schützen!

Berlin, im Oktober 2013,
Ihre Mariele Diekhof

TIPP: Lesen Sie zur Vertiefung meine Broschüren:
„Leiten mit Leichtigkeit und Professionalität“ Band I und Band II
„Die Thementafelmethode“
„27 Kopiervorlagen – Texte zum Aushängen“

Das schönste Geschenk, ein kleines Märchen zum Träumen und Nachdenken …

In einem fernen Land, ganz weit von hier, da arbeitete einmal ein recht glückliches Team in einer wunderschönen Kita. Jeden Morgen freute es sich auf einen spannenden Tag mit den Kindern. Weder die kleinen noch die großen Leute wussten, was der neue Tag an aufregenden Überraschungen für sie bereit hielt. In dieser Kita passierten die ungewöhnlichsten Dinge.

Das fing schon damit an, dass die Kinder jeden Morgen von ihren gut gelaunten Erzieherinnen ein ganz besonderes Geschenk überreicht bekamen. Eine Gabe von hohem Wert und großer Kostbarkeit.ℵ ZEIT ℵ

Ein jedes Kind bekam alle Zeit der Welt geschenkt, um genau das zu tun und zu erforschen, was ihm Freude bereitete. In der gesamten Kita gab es keine Verplanung und keinerlei Termine. Ein jeder konnte sich und seine Welt drinnen wie draußen nach Herzenslust entdecken und eine Menge dabei für das Leben lernen.

Die vielen Räume waren so gestaltet, dass den Kindern schon beim Betreten das Herz aufging und eine unbändige Spiel- und Lernfreude spürbar wurde. Was für spannende Dinge es aber auch zu entdecken gab. Höhlen, Buden und Nischen weckten die Neugierde, Kletterwände luden zur Bewegung, zum Hochsteigen und Hangeln ein. Es gab ein kleines Labor zum Experimentieren und Forschen, Staffeleien zum Malen, Teppiche mit allerlei aufregenden Sachen darauf zum Bauen und Konstruieren.

Eine Nische mit den interessantesten Büchern der Welt, mit einem beleuchteten Globus und kleinen Leselampen versteckte sich am Ende eines verwinkelten Flures. Hier konnten die Kinder jederzeit ihren Fragen nachgehen und rauskriegen, wie viele Augen eine Spinne hat, was ein Regenwurm im Winter macht und was Kinder halt sonst noch so alles wissen wollen.

Herrlich! Dafür hatten sie alle Zeit der Welt. Sie konnten in den Büchern abtauchen in ferne Länder, in spannende Unterwasserwelten und in den tiefsten Urwäldern mit all den wilden Tieren spazieren gehen.

In dieser Kita gab es einen märchenhaften Raum, der mal in rotes, grünes oder blaues Licht getaucht war, dort konnten die Kinder sich auf weichen Matten in dicke Kissen kuscheln und einer zarten Musik lauschen. Wenn sie Lust darauf verspürten, bekamen sie von ihren Erzieherinnen jederzeit Geschichten erzählt, während sie zufrieden und gemütlich im dicken Samtsofa beisammen saßen.

Besonders glücklich aber waren die Kinder in dieser Kita über die herzlichen Erzieherinnen, die tagtäglich in der Nähe waren und ihnen Achtung und Geborgenheit schenkten. Die allesamt immer dann Zeit für sie hatten, wenn die Kinder sie brauchten. Erzieherinnen mit strahlenden Augen, die gerne mit den Kindern spielten und sangen, kletterten, redeten und bastelten. Die ebenso neugierig waren wie die Kinder und gemeinsam mit ihnen spannenden Fragen nachgingen. In diesem Abenteuerland wurden die kleinen und großen Leute gemeinsam zu begeisterten Forschern und Entdeckern.

Diese märchenhafte Kita stand inmitten eines verwunschenen Gartens. Hier gab es jede Menge Kletterbäume, Wasserstellen, dichtes Buschwerk, Schlingpflanzen und üppige Blumenbeete. Kleine Mauern und umherliegende Baumstämme luden zum Balancieren ein. Besonders beliebt bei den kleinen und großen Menschen war das selbstgebaute Baumhaus. Von hoch oben konnte man die ganze Welt sehen und bunte Libellen und Schmetterlinge über ein kleines von den Kindern und Erzieherinnen angelegtes Biotop fliegen sehen.

Auch das knorrige Hexenhäuschen mit den grünen Fensterläden und dem schiefen Dach konnte man von hoch oben mit einem Fernglas entdecken. Es stand inmitten dichter Büsche und einer kleinen Brennnesselwiese. Hier konnten die Kinder ganz unter sich sein und in die phantasievollsten Rollen schlüpfen.

Dieser verwunschene Garten mit all den Tieren, Obstbäumen, Hecken, Blumen, Beerensträuchern, duftenden Kräutern und der Feuerstelle bereitete den Kindern pure Lebensfreude. Hier fühlten sie sich frei und glücklich. Hier konnten sie unbedarft Kind sein, sich beim Klettern, Springen, Raufen und Balancieren ausprobieren, aber auch in aller Stille dem Zwitschern der Vögel lauschen.

Einige Kinder spielten tagelang nur dort in diesem kleinen Gartenparadies. Manche vergaßen die Zeit beim Beobachteten der kleinen Krabbeltiere, die unter den dicken Steinen wohnten. Andere arbeiteten emsig in ihrem Kräuter- oder Blumenbeet, schoben schwere Karren durch den Sand, sammelten Steine oder legten aus gesammelten Blättern ein kleines Herbarium an. Ein jeder so wie er mochte.

Es machte auch nichts, wenn sich die Kinder beim Spielen kleine Schrammen holten oder sich an Brombeerbüschen kratzten. So ist das Leben! In dieser Kita gab es für alle Kinder ein Recht auf Beulen, Schrammen und Kratzer. Wie sonst sollen Kinder ihre ungezügelte Abenteuerlust ausleben? Wie sonst sollen sie das Leben kennen lernen?

Ebenso gab es hier für alle das Recht auf Enttäuschungen, auf Wut und Ärger, auf Freude, Leidenschaft und Übermut….. Die gesamte individuelle Gefühlspalette durfte nach Herzenslust ausgelebt werden, jedoch ohne die Gefühle eines anderen zu verletzen. Darauf achteten einfühlsame Erzieherinnen, sie standen allen Kindern zur Seite, spendeten liebevoll Trost, sprachen Mut zu und vermittelten ihnen ein Gefühl der Sicherheit.

In dieser Kita, weit von hier in einem fernen Land entwickelten sich die Kinder zu selbstbewussten, klugen, anstrengungsbereiten, sozialen, verantwortungsbewussten, eigensinnigen Persönlichkeiten – obwohl sie nicht verplant und fremdbestimmt wurden und ihnen alle Zeit der Welt geschenkt wurde……

Oder vielleicht gerade deshalb? Wer weiß?

Mit gut gelaunten Grüßen!
Mariele Diekhof

Interesse geweckt? In meiner neuen Broschüre
„Leiten mit Leichtigkeit und Professionalität“ Band II
gehen die Phantasie-Spinnereien weiter…..

Liebe Erzieher/in!

Was halten Sie von der Idee, den Eltern anhand von persönlichen Briefen einen Blick hinter die Kulissen der pädagogischen Arbeit zu schenken? Die Eltern erfahren in Form von humorvollen und informativen Texten, worauf es uns in der Kita im Zusammensein mit ihren Kindern ankommt. Welche Ziele haben wir uns als Team gesteckt? Was wollen wir den Kindern – in welcher Form – vermitteln? Wie sehen die Sicherheitsbestimmungen in der Kita aus und warum möchten wir nicht, dass die Eltern ihre Liebsten am Nachmittag mit dem Satz „Wie siehst du denn wieder aus?“ begrüßen?

Immer wenn es „passt“ gibt es wohldosierend dem Anlass entsprechend Post für die Eltern. Einen meiner bisher formulierten Elternbriefe aus der Broschüre „Leiten mit Leichtigkeit und Professionalität“ Band II habe ich hier für Sie abgedruckt. Sie können den Brief als Anregung nutzen, um ein eigenes individuelles Schreiben zu formulieren oder gegebenenfalls die Post auch kopieren und verteilen.

Regelmäßige Post für unser Eltern
Thema: Wie siehst du denn wieder aus?

Liebe Eltern!

Kennen Sie einen Handwerker, der nach getaner Arbeit sauber aussieht? Einen Automechaniker mit blitzsauberen Händen, einen Landschaftsgärtner, Bäcker oder Tischler, dessen Kleidung nach Feierabend so sauber aussieht wie zu Beginn der Arbeitszeit? Stellen Sie sich einmal vor, Sie fragen einen Automechaniker, der drei Stunden unter der Kühlerhaube geschraubt hat: Wie siehst du denn wieder aus? Handwerklich arbeitende Menschen machen sich schmutzig, das lässt sich nicht vermeiden und dafür hat jedermann Verständnis.

Auch Kinder sind „Handwerker“, sie erfassen und „be-greifen“ die Welt nicht nur mit Geist und Seele, sondern auch mit ihren Händen, mit ihrem ganzen Körper. Sie experimentieren, schrauben, robben, kriechen, klettern, springen, matschen, basteln, gestalten, buddeln und toben mit all ihrer unbändigen Leidenschaft!

Sie entdecken mit allen Sinnen ihre ganz eigene abenteuerliche Welt und lernen so, wie sie funktioniert. Kinder lernen in jeder Situation und ganz besonders dann zu 100 Prozent, wenn sie abtauchen und ihr „Thema“ entdecken.

Das kann die Faszination beim Experimentieren mit Wasser und Sand sein, das Buddeln von Höhlen in der schwarzen Erde, oder das berauschende Gefühl hoch oben im Baum zu sitzen und die Welt zu beobachten.

Was gibt es Spannenderes, als nach einem langen Regenschauer nach draußen zu gehen und in den Pfützen zu spielen? Zu erleben, wie das Wasser spritzt, wenn ich hineinspringe, oder die Pfützen durch kleine Ausgrabungen miteinander zu verbinden? Das Ausheben der kleinen Wasserstellen und das Bauen von Staudämmen macht sicher vielen Kindern eine unbändige Freude. Kleine Schiffchen aus Papier oder Holz werden angefertigt und zu Wasser gelassen…. herrlich!

Stellen Sie sich vor, inmitten so einer spannenden Aktion wird das Kind von einem Erwachsenen gefragt. Wie siehst du denn wieder aus?

Kinder machen sich schmutzig, wir würden uns Sorgen machen, wenn es nicht so wäre. Das wäre unvorstellbar! Wir wünschen uns, dass all unsere Eltern dafür Verständnis haben und uns mit dieser Haltung unterstützen. Praktische Kleidung für die Kinder, die sich gut reinigen lässt und schmutzig werden darf, wäre wunderbar!

Außerdem benötigen alle Kinder eine Regenjacke, Gummistiefel und Ersatzwäsche. Dann steht dem Abenteuer „Welt entdecken“ nichts mehr im Wege.

Einen ganz kleinen bescheidenen Wunsch haben wir noch, liebe Eltern: Begrüßen Sie Ihre Kinder nachmittags nicht mit dem Satz „Wie siehst du denn wieder aus?“ Das würde uns riesig freuen!

Wir versprechen Ihnen im Gegenzug, ein Gespräch mit Ihnen zu suchen, wenn Ihr Kind sich längere Zeit bei uns nicht schmutzig gemacht hat. Ganz nach dem Motto von Maria Montessori:

„Wenn Sie Ihr Kind heute sauber aus der Kita abholen,
dann hat es nicht gespielt und nichts gelernt“

Ihr Kita-Team

Weitere Eltern-Post in der Broschüre „Leiten mit Leichtigkeit..“ Band II

Schablonenarbeiten sind keine Kunstwerke. Vorsicht, hier kommt
ein Klartext!

Liebe Erzieher/innen!

Da das Schablonenthema immer wieder die Gemüter im Team erhitzt, möchte ich mit diesem kleinen Artikel zur Diskussion anregen und Denkanstöße geben. Im Vorfeld entschuldige ich mich schon bei allen Schablonenfans unter Ihnen für meine vielleicht etwas sehr deutlich formulierten Worte. Ist ja sonst gar nicht meine Art! Aber ich nutze hier mal ganz unbefangen die Möglichkeit meinen Gedanken zum Thema Schablonen ungeschönt freien Lauf zu lassen……

Würden Sie eine Kunstausstellung besuchen, in der nur Fälschungen zu besichtigen sind? Also Bilder, die nicht der Künstler selbst gemalt hat, sondern die abgemalt wurden? Eine Ausstellung, an deren Wände Bilder hängen, die alle gleich aussehen? 20 gleiche Kürbissköpfe, alle gleich groß, alle die gleichen ausgeschnittenen Gesichter? Würde Ihnen das gefallen? Nein? Mir auch nicht!

Von einer Kunstausstellung kann da wohl keine Rede sein. Vielleicht hinkt dieser Vergleich etwas, aber die berühmt berüchtigten Schablonenarbeiten, die unseren Kindern allerorts unbefangen angeboten werden, sind ähnlich zu bewerten. Sie haben nichts mit Kunst zu tun, nichts mit der Phantasie und Kreativität der Kinder, nichts mit deren Vorstellungen von ihrer Welt. Absolut nichts mit dem Kind!

Und dennoch gibt es sie in allen denkbaren und undenkbaren Ausführungen, sie kommen bunt und lustig daher und verzieren unzählige Fenster der deutschen Kitalandschaft. Im Frühling sind es die Tulpen und Osterhäschen, die den Kindern die Sicht nach draußen versperren, dann folgen irgendwann die Sonnenblumen und die berühmten Kürbissköpfe in allen Variationen und dennoch alle langweilig in ihrer Gleichheit. Die werden dann abgelöst von der Schneemann-Parade und den grünen Tannenbäumchen.

Es handelt sich dabei nicht um das Werk des Kindes, um dessen Eigensinn und Individualität. Nein, hier spiegelt sich die Phantasie und Vorstellung des Erwachsenen, der sich das Motiv ausgedacht hat.

Was soll das Kind damit? Erwarten wir Erwachsenen, dass das Kind einen Esel so malt, wie wir uns das vorstellen? Warum erwarten wir das? Weil wir eine perfektere Vorstellung vom Esel haben, trauen wir den Kindern ihre eigene Phantasie nicht zu?

Wünschen wir uns ein Fenster voller grauer Schablonenesel, die der Außenwelt vermitteln: Hier malen alle Kinder den gleichen Esel! Schaut her, hier arbeiten Pädagogen, die sich für den Entwicklungsstand und Eigensinn des einzelnen Kindes wenig interessieren.

Was sagen wir dem Kind, wenn wir ihm eine Schablone anbieten? Im übertragenen Sinn drücken wir damit aus: Hier hast du eine Schablone, ich traue dir nicht zu einen eigenen Esel zu malen. Oder, anders ausgedrückt: ich hätte den Esel gerne so, wie die Schablone vorgibt. Deine Vorstellung vom Esel interessiert mich nicht.

Die Frage, warum soll das Kind überhaupt einen Esel malen, drängt sich bei all den Überlegungen zusätzlich auf. Trauen wir den Kindern zu, ihr eigenes Thema zu finden, zeigen wir ihnen damit Achtung und Respekt.

Wir müssen uns eines immer wieder bewusst machen: Die Kinder malen nicht, um uns Erwachsenen einen Gefallen zu tun. Sie malen nicht, um Vorstellungen und Phantasien der Erwachsenen aufs Papier zu bringen. Sie malen aus sich heraus und für sich !

Sie malen, gestalten, kleben und kleistern, um sich auszudrücken, um ganz individuell Erlebtes zu verarbeiten. Die Ausdrucksweisen sind so bunt und unterschiedlich, wie die Kinder selbst.

Unsere Aufgabe ist es, ihnen alle erdenklichen Möglichkeiten dafür zu bieten. Kinder brauchen Licht, Luft, Platz, gutes Papier, verschiedene Farben, Pinsel, Schwämme, Rollen, – ein gut sortiertes hochmotivierendes Atelier und alle Zeit der Welt. Sie brauchen sinnliche Farbmisch-Erlebnisse, die Möglichkeit nicht nur mit den Händen, sondern auch mal mit den Füßen oder mit geschlossenen Augen nach Musik zu malen. Sie brauchen Staffeleien drinnen wie draußen in der Natur. Sie brauchen Erwachsene, die sie einfühlsam begleiten und sie in ihrer ganzen Persönlichkeit annehmen.

Wir achten und respektieren den Entwicklungsstand, die Individualität und den Eigensinn eines jeden Kindes!

Wenn wir das ernst nehmen, dann erklärt es sich von selbst, warum wir auf Schablonen verzichten müssen. Kinder brauchen keine Schablonen! So, nun genug geschrieben zum leidigen Thema „Schablone“ Wenn ich mit diesem Artikel erreiche, dass auch nur eine einzige Leserin ihre Schablonen mit Lust zerreißt, dann hat sich das Schreiben für mich schon gelohnt….

Mit kreativen Grüßen!

Ihre Mariele Diekhof

Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin,
als Erwachsener einer zu bleiben.
Pablo Picasso – spanischer Maler 1881-1973

PS: Es geht mir in diesem Artikel um Motiv-Schablonen, da gibt es noch die geometrischen Schablonen, die ich für sehr geeignet halte. Die Geo-Schablonen ermöglichen den Kindern beispielsweise Würfel, Briefumschläge, Tüten, Kästchen und ähnliches zu skizzieren, auszuschneiden, zu falten und zu kleben.. Auch eine große Anzahl an geometrischen Formen-Schablonen , wie Dreieck, Kreis, Quadrat, Rechteck, Trapez, Parallelogramm und Raute würde ich den älteren Kindern unbedingt anbieten. Darauf möchte ich in diesem Artikel nicht näher eingehen, mehr dazu in meiner Broschüre „Kind und Kunst“

Die 6 Schlüssel zur professionellen Bildungsarbeit

Die Bewusstmachung und Beherzigung einfacher Prinzipien führen zum Erfolg.

Nachdem die Ergebnisse der ersten PISA – Studie im Jahr 2000 bekannt wurden, kam es in der deutschen pädagogischen Landschaft zu einer regelrechten PISA – Hysterie.

Die Pisastudien der OCDE (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wird seit 2000 im dreijährigen Rhythmus in den meisten Mitgliedsstaaten der OCDE durchgeführt. Es geht in der Studie darum, die Kenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten der Fünfzehnjährigen zu messen. *

In kaum einem anderen Land erregte die Studie so sehr die Gemüter, wie in Deutschland. Auch in den Kindertagesstätten sollte sich einiges ändern. Eine regelrechte Reformwelle setzte sich in Bewegung, dessen Auswirkungen noch heute vielerorts den Kita-Alltag dominieren. Da ist die Rede von speziellen Fördermaßnahmen, diagnosebasierten Fördermaterialien und effektiven Trainingsprogrammen. Inzwischen sind sie weit verbreitet: die ganz spezifischen Sprachförderprogramme und Sprachstandserhebungen, die mit den Kindern in „speziellen Situationen“ außerhalb des Gruppengeschehens emsig betrieben werden. *

Inzwischen besagen Studien, dass isolierte Sprachförderung wenig erfolgreich ist. Zudem bedeutet die planmäßige, nach Zeit vorgegebene „Förderstunde“ immer auch, dass ich als Erwachsene das Kind aus seinem Tun und Thema herausreiße, weil ich meine zu wissen, was das Kind „nächsten Donnerstag um 10 Uhr“ braucht…… Ich unterbreche damit regelmäßig die Selbstbildungsprozesse der Kinder und hindere sie am Lernen. Ergebnisse aus der Hirnforschung belegen dies. Bei der Beherzigung der 6 Schlüssel Ñ dreht sich alles um die alltagsintegrierte, qualitativ hochwertige Bildungsarbeit – losgelöst von zeitlich festgelegten Förderprogrammen. *

Beherzigen ausnahmslos alle Erzieher/innen einer Kindertagesstätte diese folgenden beschriebenen Prinzipien, schaffen sie damit für alle Kinder beste Bildungs-Bedingungen und ein Fundament für deren ganz individuelle freie Entfaltung im eigenen Tempo – und das mit Freude, Professionalität und Leichtigkeit. *

Auf zeitlich festgelegte diverse „Förderprogramme“ in Kleingruppen kann gänzlich verzichtet werden. Ich kann Ihnen garantieren, dass – wenn sich alles eingespielt hat – der Kita-Alltag als deutlich entspannter und harmonischer für alle empfunden wird. Die pädagogischen Zielsetzungen werden sozusagen spielend erreicht!

* * *

ERSTER SCHLÜSSEL

Alle Erzieher/innen sind sich ihrer Vorbildfunktion bewusst Herzensbildung durch Vorleben

Hier geht es um pure Bewusstmachung bezüglich der pädagogischen Zielsetzungen des Teams: Was möchten wir den Kindern vermitteln, was sollen sie lernen, welche Kompetenzen stecken in ihnen? Wie können wir die volle Entfaltung der einzelnen Persönlichkeiten unterstützen? Wenn wir bewusst hinschauen, fällt auf, dass sich mindestens die Hälfte unserer gesetzten pädagogischen Ziele insbesondere auf die HERZENSBILDUNG beziehen, auf ein soziales Miteinander, das von Achtung und Respekt geprägt ist. All diese Ziele erreichen wir in erster Linie durch unser Vorleben, durch unsere Haltung und Einstellung zum Leben. Die persönliche „Ausstrahlung“ der Erzieherin kann vieles bei den Kindern bewirken und zur Entfaltung bringen. Sie kann ihre Seelen stärken, ihre Herzen erwärmen, aber auch Kältegefühle und Beklemmungen auslösen. Wir machen uns bewusst: *

Was tut den Kindern gut? Was tut den Kindern weh? Wie wirke ich auf die Kinder und auf meine Kolleg/innen?

Bin ich eher einfühlsam, ehrlich, warmherzig, abenteuerlustig, neugierig, freundlich, achtsam, verlässlich, humorvoll, emphatisch, gelassen, ausgeglichen, hilfsbereit, naturverbunden, authentisch, mit meinen kleinen individuellen Macken … oder eher: gereizt, launisch, hektisch, gestresst, oberflächlich, streng, humorlos, herrschsüchtig, intrigant, unzuverlässig, immer in Eile, ungerecht, unfreundlich? *

Kann ich mich an einem kleinen Käfer, an einer Blüte, an schöner Musik, an sinnlichen Düften erfreuen? Zeige ich meine Freude und lasse die Kinder teilhaben? Wecke ich ihre Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge um uns herum? Schenke ich ihnen Zeit oder „treibe“ ich sie durch den Tag? Wie spreche ich mit den Kindern und Kolleginnen? Rede ich eher MIT ihnen oder ÜBER sie? Es geht hier nicht darum, IMMER gut drauf und fröhlich zu sein. Es geht darum, sich Zeit zum Reflektieren zu nehmen- sich Gedanken zu machen, ob ich in meiner ganz individuellen Art den Kindern gut tue, ob ich in meiner Vorbildfunktion den Kindern helfe, sich selbst und die Welt mit allen Sinnen zu entdecken – oder ob ich sie daran hindere. Ob ich mich als Anwalt der Kinder sehe. Sich dies bewusst zu machen und eigene „Persönlichkeitspolitur“ zu betreiben, darum geht es!

* * *

ZWEITER SCHLÜSSEL

Alle üben sich in der „Positiven Sprache“

Das Sprechen in der sogenannten „Positiven Sprache“ im Umgang mit den Kindern ist von ganz großer Bedeutung und verändert den Alltag. *

„Schütte deinen Kakao nicht um, fall nicht von der Treppe, lauf nicht auf die Straße, wirf den Turm nicht um, kleckere nicht mit der Suppe…..“ *

Sätze, die sicher vielen Pädagoginnen bekannt sind. Ganz unbedacht wird oftmals in der *Negativen Sprache* gesprochen. Damit machen wir es den Kindern schwer. Die Hirnforschung bestätigt, dass sich Kinder dieses NICHT im Satz zunächst nicht vergegenwärtigen. „Wirf den Kakao nicht um“. Das Kind sieht quasi die umgeworfene Tasse vor sich, um dann zu überlegen, was die Erzieherin denn möchte. In der *Positiven Sprache* könnte es so klingen: „Genieße deinen Kakao!“. Oder „Halte dich am Geländer fest“, statt „ Fall nicht von der Treppe“…. . Kinder benötigen klare, aussagekräftige Sätze. Das Sprechen in der Positiven Sprache taucht zudem die Welt der Kinder ins Licht, sie schenkt den Kindern Wärme. Hört sich „Genieße deine Suppe“ nicht viel schöner an, als „Pass auf, dass du nicht kleckerst“?

* * *

DRITTER SCHLÜSSEL

*Bildungsfutter* für alle Kinder – durch gezielte Teamvereinbarungen Durch einfache Absprachen und Vereinbarungen im Team bekommen alle Kinder reichlich „Bildungsfutter“ und das so ganz nebenbei. Wir können eine Förderung der Allgemeinbildung gar nicht verhindern, wenn ausnahmslos alle Erzieher/innen stets folgendes beherzigen: *

• Bevor sie den Kindern ein Bilderbuch vorlesen, wird immer der Name des Illustrators sowie des Autoren benannt. So ganz nebenher lernen die Kinder die Namen verschiedener Künstler kennen und ihre Arbeiten wertschätzen.. *

• Beim Einsetzen von Musikinstrumenten, werden grundsätzlich die Namen der Instrumente benannt. Beispiel: Hast du dir die Kalimba ausgesucht? Wer möchte die Kalebasse haben? Legst du bitte die Klanghölzer zurück in den Korb? – Tipp: Alle nicht alltäglichen Instrumente (Z.B. Kalebasse, Kalimba, Recco etc.) werden an der Unterseite mit Namen beschriftet. So wird gewährleistet, dass auch weniger bekannte Instrumente von den Erzieher/innen und Kindern benannt werden können. Kommen die Kinder in die Schule, kennen sie viele Instrumente mit Namen. *

• Vor dem Einlegen einer Musik- CD werden die Namen des Komponisten/Sängers genannt, bzw. erwähnt, welches Instrument (Klavier, Violine, Gitarre) wir nun hören. „Hört mal, wie schön die Klaviermusik klingt“… „Wollen wir heute Panflöte oder Violine zum Nachtisch hören? Nebenher lernen die Kinder verschiedene Musikstücke, den Klang verschiedener Instrumente kennen und können sie mit Namen benennen. *

• Wenn es in den Garten geht, werden nebenher die Bäume mit Namen benannt. Die Bäume sind unsere Freunde. Beispiele: Wir treffen uns unter der Birke, wollen wir uns unter der Trauerweide ins Gras legen und Windgeschichten hören? Kommt, wir rennen zum Erlenbaum…..) TIPP: Alle Bäume sind mit Namen gekennzeichnet, so kennen alle Erwachsenen die Bäume und die Eltern lernen ebenfalls hinzu. Zum Kennzeichnen laminierte Pappschilder mit einer Schnur am Stamm befestigen. Die Kinder spielen jahrelang unter den selben Bäumen und lernen so nebenbei vom Leben der Bäume und ihre unterschiedlichen Namen kennen. *

• Die Farben der alltäglichen Gegenstände werden insbesondere in der Krippe benannt. Beispiel: „Räumst du bitte die blaue Tasse auf den Wagen? Du hast aber schöne rote Hausschuhe an“. So lernen die Kinder nebenbei die Farben kennen. *

• Die Kinder werden auf die kleinen Dinge in der Natur aufmerksam gemacht: Beispiel: „Schau mal, die Fliege hat ja rote Augen!“ „Komm, wir drehen den Stein mal um und gucken wer da drunter wohnt“. „Kennst du das kleine Krabbeltier?“

Bestimmt fallen Ihnen und Ihrem Team noch weitere Ideen ein? Nehmen Sie doch dieses Blatt als Diskussionspapier mit in die Teamsitzung……. Z.B. Präpositionen benennen: oben, unten hinter, vor, auf, unter……

* * *

VIERTER SCHLÜSSEL

Kinder beachten, statt beobachten Erkennen was die Kinder jetzt brauchen – sie zeigen es uns!

Wenn wir die Kinder nicht zu sehr verplanen und ihnen Zeit für ganz individuelle Entdeckungen, Zeit für sich selbst schenken, dann sorgen wir damit für einen entspannten Alltag. Lebenslust, Gelassenheit und Bildungsfreude finden Platz. Wir schenken den Kindern Zeit zum Lernen, Zeit um Selbstbildungsprozesse in Ganz zu setzen, Zeit ganz im Hier und Jetzt sein zu können. Wir schenken ihnen unser Vertrauen: Wir trauen ihnen zu, selbstbestimmt zu agieren, sie selbst zu sein. So haben wir Erzieher/innen Gelassenheit und Zeit die Kinder zu beachten, sie mit den Augen des Herzens zu sehen, zu sehen, was sie brauchen. *

Kinder zeigen uns – auf ihre Art, mit ihren „Mitteln“ was sie brauchen. Dies zu erkennen, ist eine weitere hohe Kunst in der Pädagogik. Es geht nicht darum, zu wissen oder zu ahnen, was sie nächsten Donnerstag um 10 Uhr benötigen, um im Vorfeld ein schönes, elternfreundliches Angebot zu planen…. NEIN! Es geht darum, zu erkennen was sie JETZT brauchen. *

Nur wenn ich das Kind beachte, gelingt mir dies. Und beachten kann ich die Kinder nur dann, wenn ich nicht verstrickt bin in einen verplanten, zeitlich eingetüteten Alltag, der Arbeitsfreude und Gelassenheit im Keim erstickt. *

Beachten statt beobachten. Wohl jeder Mensch möchte lieber beachtet, als beobachtet werden. Stellen Sie sich einmal folgendes vor:

Während Sie morgens genüsslich frühstücken, werden Sie intensiv beobachtet. Ihre Mimik, Ihre Gestik, die Körperhaltung, alles wird mit Blicken erfasst. Wie halten Sie das Messer in der Hand, wie beißen Sie vom Brötchen ab, was essen Sie? Lesen Sie Zeitung währenddessen oder unterhalten Sie sich mit dem Tischnachbarn? Sprechen Sie in ganzen Sätzen, kauen Sie während Sie sprechen, wie drücken Sie sich aus? In welcher Stimmung und körperlichen Verfassung sind Sie? Anschließend würde es eine – natürlich wertfreie- objektive Zusammenfassung der Beobachtung im speziell dafür entwickelten Beobachtungsbogen geben, vielleicht noch ergänzt mit ein bis zwei Fotos, die von Ihnen während des Brötchenkauens geschossen wurden. Na – würde Ihnen das gefallen? *

Schenkt man Ihnen jedoch Beachtung, während eines gemeinsamen Frühstücks in angenehmer Gesellschaft, fühlt sich das wesentlich angenehmer an. Auch Kinder wollen – von uns Erwachsenen – BEACHTET werden, sie möchten sozusagen auf Augenhöhe mit Achtung, Wertschätzung und Respekt begegnet werden. Übertriebene Beobachtung verletzt die Würde des Kindes. *

Eine Beobachtung schaut von OBEN herab auf das Kind. Bemerken Sie einen Unterschied in den folgenden Sätzen? „Heute schenke ich Livi und Jakow meine ganz besondere Beachtung“ – oder „Heute beobachte ich die Livi und den Jakow.“ Die Notizen werden nicht im „Beobachtungsbogen“, sondern im „Beachtungsbogen“ eingetragen. Dieser Bogen sollte nicht zu umfangreich sein, damit die Schreibarbeit nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt …

FAZIT: Kinder werden beachtet, Situationen beobachtet. Diese Bewusstmachung lässt uns achtsamer werden im Umgang mit den Kindern!

* * *

FÜNFTER SCHLÜSSEL

Wir sind Wegbereiter für die *Angebote der besonderen Art* Wir sehen mit einem anderen Blick auf das Tun und Lassen der Kinder *

Unsere Professionalität besteht nicht darin, die Kinder mit zeitlich festgelegten Angeboten zu überhäufen, sie zu bespielen und ihnen ihre freie Zeit zu rauben – sondern drinnen wie draußen ein Abenteuerland zu schaffen, in dem sie abtauchen können, um sich und die Welt kennen zu lernen. Damit schaffen wir eine kindgerechte Welt, in der Kinder Kind sein dürfen und wir unsere pädagogischen Ziele mühelos im lebendigen Kita – Alltag erreichen.

*

Die gesamte Kita ist für die Kinder ein Angebot der besonderen Art: • Der Baubereich bietet den Kindern Möglichkeiten zum Bauen, Konstruieren und Spielen… • Die Bibliothek bietet den Kindern Literatur zum Betrachten und Stöbern.. • Die Bäume bieten sich zum Klettern an, die Wasserstellen und Pfützen zum Experimentieren, die Baumstämme zum Balancieren…. • die Flure zum Rennen, Hüpfen, Kriechen und Krabbeln…. • der Bewegungsraum bietet sich zum Toben, Rennen, Turnen und Tanzen an… • der Malbereich zum Gestalten, Kleben, Kleistern und Basteln… • die Küche zum …

*

Wir beachten das „Tun und Lassen“ der Kinder mit anderen Augen, wenn wir wahrnehmen, WIE Kinder lernen, WIE sie sich entfalten und entwickeln – OHNE fest geplante Angebote. Egal wo die Kinder sich bewegen, ob sie im Sand buddeln, auf den Bäumen klettern, im Waschraum mit Wasser und Schläuchen experimentieren, ob sie malen, kneten, tanzen, toben, rennen, reden, kleistern, kleben, recherchieren oder nichts tun…. Sie lernen und entwickeln sich, stets und im eigenen Tempo! Sich das bewusst zu machen, bringt Gelassenheit, Ruhe und Selbstsicherheit in den Alltag der Erzieher/in. *

Beispiel: Sie sehen drei Kinder in der Matsche sitzen. Was passiert dort, was lernen sie? Ich nenne nur einige Stichworte: Experimentierfreude, taktile Wahrnehmung, Körperbewusstsein, Materialerfahrung, Freude am Tun, Kommunikation, physikalische und mathematische Grunderfahrungen, …. u.v.m. Warum sollten die Kinder von Erwachsenen zu einer geplanten Aktion aus der Pfütze gelockt werden? Weil es Donnerstag 10 Uhr ist und ich ein elternfreundliches Angebot geplant habe? Lernen sie dort mehr? Nein!

Noch ein Beispiel: Sie sehen ein Kind im Baum. Was passiert dort, was lernt es? Und wieder nenne ich einige Stichworte: Grob- und Feinmotorik, Grenzen testen, mutig sein, die Welt von oben sehen, Selbstvertrauen, Umweltbewusstsein .u.v.m. Wunderbar, gibt es einen nachvollziehbaren Grund dieses Kind zu einer im Vorfeld geplanten „Alibibastelei“ vom Baum zu holen?*

Sehen wir als Erzieher/innen doch unsere Rolle als einfühlsame Begleiter und Wegbereiter in einer Welt, in der Kinder ganz sie selbst sein dürfen und nicht – aus Angst und Eile mancher Erwachsenen – zu fremdbestimmten Projekten gemacht werden!

Wir sind Entwicklungsbegleiter, keine Entwicklungstreiber!

* * *

SECHSTER SCHLÜSSEL

Sprachförderliche Grundhaltung Kinder bewusst zum Sprechen bewegen Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen, ist eine hohe Kunst in der Pädagogik. Dies zu üben und weiterzuentwickeln ist Voraussetzung für eine alltagsintegrierte Sprachförderung! *

Situation im Kita-Alltag: Ein Kind zeigt der Erzieherin draußen im Garten einen toten Käfer und fragt nach, warum der Käfer tot ist. Erzieherin: „Oh sieh mal, der arme kleine Käfer. Ich denke mal, er ist zertreten worden. Siehst du den eingedrückten Panzer? Wollen wir ihn beerdigen, was meinst du?“ Eine andere Möglichkeit der Kommunikation: Erzieherin: „Oh, der arme kleine Käfer. Schau mal, der Panzer ist ja ganz eingedrückt, siehst du? Woran mag er denn wohl gestorben sein, was meinst du?“ Mit dieser bewusst „umgedrehten“ Fragestellung wird das Kind zum Nachdenken und Sprechen angeregt. Es wird ernstgenommen, seine Meinung, seine Gedanken sind gefragt. Im Alltag ergeben sich täglich unzählige Situationen zur „umgedrehten“ Fragestellung. Beispiele: Kind: „Warum krabbeln die Asseln so schnell weg, wenn wir den Stein wegrollen?“ Erzieherin: „Vielleicht mögen sie kein helles Sonnenlicht? Oder was meinst du?“ Kind: „Warum weint denn der kleine Max?“ Erzieherin: „Vielleicht möchte er seine Mama bei sich haben? Oder er hat Hunger, was glaubst du?“ Kind: „Können manche Fische Menschen fressen?“ Erzieherin: „Das ist ja eine interessante Frage! Da machst du mich ja richtig neugierig. Wie kriegen wir zwei das denn jetzt raus?“ *

Parallel dazu fördert das tägliche, spontane Vorlesen, Erzählen, Nacherzählen lassen, Reimen, Singen, Rätseln….. mit Lust und Freude die Sprachentwicklung in hohem Maße. *

Möchten Sie mehr zur Umsetzung der 6 Schlüssel zur professionellen Bildungsarbeit erfahren und tiefer in die Materie eintauchen? Dann besuchen Sie doch das Seminar „Die 6 Schlüssel zur professionellen Bildungsarbeit“ in meiner KITOPIA in Berlin. Ich freue mich auf spannende Tage mit Ihnen!

Ihre Mariele Diekhof